Öl-Harz-Malerei
Handwerkliches

 

Experimente

Autodidaktische Experimente

Claude Monet, Pappeln an der Epte (1891), Schottische Nationalgalerie, Edinburgh Andreas Achenbach, Landschaft mit Bach (1851), Eremitage, Sankt Petersburg


















So konsequent E. von Vietinghoff in seiner Malphilosophie Alleingänger ist, so ist er es auch als Autodidakt in der Praxis. Er entdeckt in 35 Jahren des Experimentierens das Wissen, das zu seinen Lebzeiten nicht mehr gelehrt wird. Seitdem die Impressionisten mit der Tradition gebrochen hatten und nach neuen Theorien eigene Malweisen entwickelten, waren die Kenntnisse mehrschichtiger Öl-Harz-Lasurentechnik in Vergessenheit geraten.
 

Juan Gris, Kaffeemühle (1920), Museo Reina Sofía, Madrid Grüne Peperoni auf Zeitung













Nach Versuchen auf kubistische Art in seiner Anfangszeit erkennt Vietinghoff seinen Weg ganz klar: die traditionelle Malerei im Geist der Alten Meister jedoch in eigener Manier. Die Kunstavantgarde legt auf die bewährten technischen Möglichkeiten europäischer Malkultur längst keinen Wert mehr; im Umfeld zweier Weltkriegskatastrophen und des spanischen Bürgerkriegs sucht sie oft mehr das Plakative, Schockierende und Politische. Der provokativen Frage André Bretons (die auf Cézanne zurückgeht) "Soll man den Louvre abbrennen?" setzt Vietinghoff pragmatisch das Erforschen und schrittweise Rekonstruieren der traditionellen Öl-Harz-Technik entgegen.
 

Café Les Deux Magot, Paris Jean Siméon Chardin, Korb mit Pfirsichen (1768), Louvre, Paris













Nach hitzigen – für ihn letztlich aber unfruchtbaren – Debatten mit seinen später berühmten und hochdotierten Kollegen in den einschlägigen Cafés der Pariser Szene wendet er sich von der Szene ab und beginnt bei Null. Diese äußerst mühsame und geduldige Suche nach den adäquaten Ausdrucksmitteln im Dienste der visionären Malerei erregt keine öffentliche Aufmerksamkeit und bringt weder Stipendien noch Aufträge. Als öffentlichkeitsscheuer, bescheidener und von seinen Idealen geführter Mann geht er einen oft einsamen Weg, auf dem ihn sein künstlerisches Gewissen und die Liebe zu seinen Vorbildern begleiten.
 

Experimente mit Pigmenten und Ölen Jan Vermeer, Das Mädchen mit dem Weinglas (1559-60), Herzog Anton Ulrich-Museum, Braunschweig















Auf der Suche nach den handwerklichen Voraussetzungen zur Umsetzung seiner künstlerischen Vision experimentiert er systematisch mit Farben, Bindemitteln, Grundierungen und Firnissen. Er ist dabei ganz auf analytisches Beobachten alter Werke und kontinuierliche Verbesserung eigener Versuche angewiesen. In seinen 10 Pariser Jahren pendelt er zwischen dem Louvre und seinem Atelier, wo er Lasuren und Stricharten ausprobiert, die er bei den Alten Meistern entdeckt. Doch braucht er lange Jahre des Erprobens, der Neuentdeckungen und der Rückschläge bis erst in der Mitte seines Lebens sowohl Technik als auch Stil ausgereift sind.
 

Pieter Brueghel d.J., Christus auf stürmischem See von Galiläa (1596), Museum Thyssen, Madrid Tizian, Venus mit dem Orgelspieler (um 1550), Gemäldegalerie Berlin










Diese akribischen Studien setzt er auf späteren Reisen in 10 Ländern fort. Er entdeckt die Wirkung der Hell-Lasuren in der niederländischen Malerei bei den Brueghels und bei Vermeer, die der Dunkel-Lasuren der Venezianer bei Tizian ...
 

Francesco Guardi, Ruine an einer Lagune Zwei Figuren (untere Bildmitte)











... und bewundert den virtuosen Pinselstrich und die delikaten Details eines Guardi ...

Obwohl der Ausschnitt (rechts) aus der unteren Bildmitte nur ein kleines Detail zeigt, sind die Bewegungen und Kleider der Figuren mit wenigen Pinselstrichen differenziert, lebendig und treffsicher charakerisiert – und dennoch nur angedeutet.
 

J.M. William Turner, Glaucus und Scylla,  (1841), Kimbell Art Museum, Fort Worth, Texas ... sowie den ungezwungenen Farbauftrag eines Turner und dessen große Souveränität beim Handhaben und Mischen der Werkstoffe.



Schon bald begreift er, dass die handelsüblichen Farben seinen Ansprüchen nicht genügen. Um sich auf Konsistenz und Wirkung verlassen zu können, stellt er die meisten seiner Farben selbst her. Vielfältige Ingredienzien testet er, unterschiedlich kombiniert, auf ihre optische Wirkung anhand verschiedener Mischtechniken. Systematisch überprüft er die Farbenlehren und Kontrastgesetze, um sie teilweise neu zu definieren. Denn oft wurden sie von Theoretikern und nicht von ausübenden Künstlern entworfen oder beziehen sich auf Farben des Lichtspektrums und nicht auf Malfarben.
 
     

 

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